Neben den wichtigsten pilzlichen Schaderregern in Zuckerrüben, Cercospora beticola und Ramularia, breiten sich klimabedingt auch immer mehr tierische Schädlinge und Krankheitserreger in Deutschland und Europa aus. SBR (Syndrome Basses Richesses) wird durch die Schilf-Glasflügelzikade übertragen und gewinnt von Jahr zu Jahr mehr an Bedeutung. Durch das Auftreten dieses bakteriellen Schaderregers sind neben dem Zuckerrübenanbau auch weitere Kulturen wie Kartoffeln, Zwiebeln, Beten oder auch Karotten gefährdet.
Was ist die Schilf-Glasflügelzikade?
Die Schilf-Glasflügelzikade ist der wichtigste Überträger der Krankheiten SBR und Stolbur in Zuckerrüben. Diese fliegt gegen Ende des Frühlings in die Rübenbestände ein und beginnt dort an den Rüben zu saugen und somit die bakteriellen Krankheiten zu übertragen. Nachfolgend legen die adulten Zikaden ihre Eier in der Nähe der Rüben in den Boden ab. Daraus entwickeln sich dann Nymphen, welche wiederum an den Wurzeln der Rüben saugen und damit auch zum Vektor werden. Die Überwinterung kann dann in der Folgefrucht, beispielsweise Winterweizen, erfolgen, woraus dann im folgenden Frühjahr wiederum der Zuflug in die Zuckerrübenbestände erfolgt.
SBR (Syndrom Basses Richesses – „Syndrom der niedrigen Zuckergehalte“) in Rüben führt zu einem geringeren Zuckergehalt zwischen 2–5 %. Ausgelöst wird diese Krankheit durch das Bakterium „Candidatus Arsenophonus phytopathogenicus“. Die Schilf-Glasflügelzikade dient dabei als Vektor, vergleichbar der Übertragung von Virosen in Getreide durch Blattläuse.
Stolbur (RTD – Rubbery taproot disease – „Gummirüben“) wird durch das zellwandlose Bakterium „Candidatus Phytoplasma solani“ ausgelöst. Die Symptome sind ähnlich derer von SBR, jedoch sorgt Stolbur zusätzlich für sogenannte „Gummirüben“, welche zum einen schwieriger zu beernten sind und zum anderen zu erheblichen Lager- und Verarbeitungsproblemen führen.
Häufig sind die Zuckerrüben von beiden Krankheitserregern gleichzeitig befallen. Die Krankheitsverläufe dieser sind zurzeit noch nicht vollständig bekannt. In jedem Fall sorgen beide Krankheiten für erhebliche Ertragsverluste und verminderte Zuckererträge.
Tyische Schadbilder
Diese Schadbilder sind typisch für betroffene Bestände:
- eine großflächige Vergilbung des Rübenschlages
- sichtbare nekrotische Verfärbungen an den Gefäßbündelringen
- lanzettlich geformte, junge Rübenblätter
- gummiartige Rübenkörper
- krankhafter Neuaustrieb der Blätter
Bekämpfung durch Pflanzenschutzmittel
Die bakteriellen Krankheiten lassen sich nicht direkt bekämpfen, sondern nur die Zikade als Krankheitsüberträger (Vektor). Wirksame Bekämpfungsmöglichkeiten ohne Insektizide sind kaum möglich. Regulär zugelassen sind im Zuckerrübenanbau jedoch zur Bekämpfung von Glasflügelzikaden als Überträger bakterieller Krankheitserreger bisher noch keine Pflanzenschutzmittel.
Allerdings hat das BVL am 31. März 2025 mehrere Notfallzulassungen erlassen. Alle im Rahmen dieser Notfallzulassungen zugelassenen Mittel dürfen nur nach vorherigem amtlichen Warndienstaufruf der zuständigen Behörden angewendet werden. Diese Warndienstaufrufe basieren auf Monitoringdaten, die flächendeckend erhoben werden. Zu den genauen Informationen des BVL kommen Sie hier.
Folgende Insektizide gegen die Schilf-Glasflügelzikade sind in den Notfallzulassungen enthalten und haben wir bei uns im Shop:
Herausforderung bei der Bekämpfung
Zusätzlich erschwert die lange Flug- und Fraßzeit der Schilf-Glasflügelzikade von Mai bis September die Bekämpfung des Vektors und damit die Ausbreitung der Krankheiten. Die Nymphen ziehen sich nach der Ernte der Zuckerrüben sehr schnell in Bodentiefen von > 40 cm zurück. Dies geschieht innerhalb weniger Stunden, sodass eine Bekämpfung der Nymphen kaum möglich ist.
Untersuchungen in verschiedenen Fruchtfolgen bzw. Fruchtfolgegliedern haben bisher zu wenig neuen Erkenntnissen geführt. Mais als Folgefrucht nach Zuckerrüben scheint den Ausflug der neuen Generation adulter Tiere etwas zu reduzieren. In anderen Sommerrungen, wie Soja, Erbsen oder Sommergetreide, konnte diese Eindämmung jedoch nicht nachgewiesen werden.
Ein positiver Aspekt ist jedoch, dass eine Ackerbegleitflora oder auch Zwischenfrüchte kein Reservoir zur Ausbreitung des Erregers darstellen. In zahlreichen Erhebungen wurden keine positiven Proben an Unkräutern oder auch Zwischenfrüchten festgestellt.
Ausblick
Hoffnung besteht vor allem in der Züchtung neuer, toleranter Rübensorten, die gegenüber den derzeit angebauten Sorten höhere Zuckergehalte aufweisen. So konnte bereits festgestellt werden, dass einige Rübensorten SBR besser als andere tolerieren. Zudem beschäftigt sich die Forschung mit der sogenannten RNAi-Technologie, um den Vektor Schilf-Glasflügelzikade zielgerichtet zu bekämpfen und somit die Ausbreitung der Bakterien zu unterbinden.